Spiders everywhere

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Überall Spinnen – Spiders, Spiders Everywhere

Es war einmal…

… eine kleine Prinzessin, die lebte in einem großen Schloss, zusammen mit ihrem Vater, dem König, ihrer Mutter, der Königin, und ihrem Bruder, dem kleinen Prinzen. Sie lebten fröhlich und glücklich. Doch gab es sehr, sehr viele Spinnen in diesem Schloss. Das behagte der kleinen Prinzessin gar nicht. Und auch der kleine Prinz mochte die Spinnen nicht.

So gingen die kleine Prinzessin und der kleine Prinz zum König und sagten: „Lieber Vater, in diesem Schloss gibt es ganz furchtbar viele Spinnen.“ Und der König sagte: „Ich weiß, liebe Kinder. Die Spinnen sind überall.“

Doch weil sie in einem Land lebten, in dem Englisch gesprochen wurde, klang das natürlich alles ganz anders. Die Kinder sagten: Dear father, there are awfully many spiders in this castle!“

Und der Vater antwortete mit I know, dear children. The spiders are everywhere.

Da klagte die kleine Prinzessin: „Liebes Papilein, wir mögen diese Spinnen nicht. Sie sind hässlich und eklig und wir möchten sie hier nicht haben.“

„Nun“, sagte der König, „mich stören die Spinnen nicht. Aber wenn ihr sie so eklig und hässlich findet, dann müssen wir sie wohl loswerden. Ich werde einen Plan machen, wie wir die Spinnen aus dem Schloss hinaus bekommen.“

Und auch das klang auf Englisch natürlich ein wenig anders, denn die Prinzessin sagte: Dear Daddyli, we do not like these spiders. They are ugly and disgusting. We do not want them to be here!

Woraufhin der Vater antwortete: Well, I do not mind those spiders. But if you feel they are ugly and disgusting we may have to get rid of them. I will make a plan how to get the spiders out of the castle.

Und der König schickte nach seinen Ministern. Als sie vor ihm standen, sagte er zu ihnen: „Meine lieben Minister, wir haben ein Problem. Das Schloss ist voller Spinnen und…“ Doch weiter kam der König nicht mit seinem Satz. „SPINNEN !!!“ riefen die Minister wie aus einem Munde, „SPIIIIINNNNEN !!!“ Und voller Entsetzen rannten sie aus dem Saal und aus dem Schloss hinaus.

Auf Englisch begann sein Satz mit Dear secretarys, we have a problem. The castle is full of spiders and…“.Und die entsetzten Schreie der Minister? Ja, natürlich, die riefen „SPIDERS! SPIIIIIDERS!“, als sie Reißaus nahmen.

„Hmmm“, dachte der König. „Was nun?“ Und ratlos blickte er sich im Saale um. Niemand war mehr zu sehen, außer den Spinnen, die überall auf den Wänden und an der Decke saßen und taten, als hätten sie von all dem nichts mitbekommen. Kein Mensch war mehr im Saal. Und auch das Schloss war leer – bis auf die königliche Familie selbst. Nicht einmal ein einziger Diener war übrig geblieben, den der König hätte schicken können, um nach einem Ratgeber zu schicken. Denn alle waren in Panik mit den Ministern aus dem Schloss geflohen, fast so, als hätten sie zum ersten Mal die Spinnen um sich herum bemerkt.

Da blieb dem König am Ende nichts anderes übrig, als selbst aus dem Schloss zu gehen und zu schauen, wo er einen Ratgeber finden könne. Denn ohne Ratgeber konnte er keinen Plan machen. Er war ja schließlich der König. So ging er durch die weiten Gänge seines so verlassen daliegenden Schlosses, über den Schlosshof mit dem großen, tiefen Brunnen und durch das Tor hinaus in die kleine Stadt, die das Schloss umgab.

Nicht lang, da begegnete er einem jungen Mann, und er sagte: „Guten Tag, junger Mann. Ich bin der König, und ich brauche dringend einen Rat.“

„Oh, guten Tag, Herr König“, sagte der Angesprochene, denn er war ein höflicher junger Mann, und er fühlte sich sehr geschmeichelt, dass der König gerade ihn um Rat fragen wollte. „Wenn Ihr ein Problem habt, Herr König“, fuhr er fort, „so werde ich mein Äußerstes tun, es für euch zu lösen.“

Aber weil – man ahnt es schon – in diesem Land nicht nur bei Hofe Englisch gesprochen wurde, sondern von jedermann und jederfrau, klang auch dieses Gespräch natürlich ganz anders. Good day, young man, hatte der König gesagt. Er stellte sich mit I am the kingvor und erklärte I’m in desperate need of advice.Woraufhin der höfliche, geschmeichelte junge Mann ebenfalls mit einem „Good day“zurückgegrüßt und versichert hatte If you have a problem, dear king, I will do my very best to solve it for you.

„Fein“, freute sich der König. Und dann schilderte er dem jungen Mann, was los war. Dieser schaute zunächst ein wenig ratlos, überlegte kurz, lächelte dann und sprach: „Lieber Herr König. Das Problem ist mir zwar fremd, denn ich selbst finde Spinnen gar niedlich und possierlich. Doch daran soll’s nicht scheitern, und so will ich euch denn von euren Sorgen erlösen.“

In der Landessprache hatte der König seiner Freude mit „Goodly!“ Ausdruck verliehen, und der junge Mann sagte „Dear mister king. This problem is unfamiliar to me. I myself find spiders to be cute and sweet. But that shall not cause this to fail. I will relieve you from your worries.“

Und er schilderte dem König seinen Plan. „Lieber Herr König“, sprach er, „schickt nach dem Tischler und lasst ihn eine Kiste bauen, gerade so, dass ich sie noch tragen kann, doch groß genug, dass alle Spinnen des Schlosses darin Platz haben mögen. Und die Kiste soll eine Klappe haben, durch die ich die Spinnen in die Kiste stecken kann. Doch sie soll sich von selbst wieder verschließen, damit keine Spinne entkommen kann, so ich sie einmal hineingetan habe.“

Auch auf Englisch klang dieser Plan ziemlich gut: Dear mister king. Send for the carpenter. Let him build a box I can carry just so. It shall be big enough for every spider of the castle to fit in. And the box shall have a flap for me to put the spiders in. But the flap shall close by itself. So no spider may escape once I have put it in.

Nun, „schicken lassen“ beziehungsweise „send for“konnte der König nach dem Tischler oder „Carpenter“noch immer nicht, Denn auch hier draußen in der Stadt war weit und breit keiner seiner Diener oder Minister zu sehen. So suchte er selbst den Tischler auf und schilderte ihm, was er benötige. Und der Tischler machte sich sofort an die Arbeit – „he started his work immediately“.

Er baute eine Kiste so groß, dass ein junger, kräftiger Mann sie gerade noch zu tragen vermochte, und mit genügend Raum, alle Spinnen des Schlosses in sich aufzunehmen. In den Deckel hinein baute er eine Klappe, gerade so, wie der junge Mann sie dem König beschrieben hatte. Und er brachte die Kiste selbst in das Schloss, obwohl auch ihm recht vor den Spinnen graute. Denn der „Carpenter“war ein mutiger Tischler, und er wollte seinem König unbedingt behilflich sein.

Der junge Mann sah erfreut, wie gut der Carpenter seine Pläne verstanden und die Kiste gebaut hatte. Er nahm sich eine Leiter, auf Englisch gesagt he took a ladder. Denn die meisten der Spinnen saßen hoch oben, way up. Gerade dort, right there, wo Wand und Decke aufeinander treffen, where wall and ceiling meet. Und er begann, Spinne für Spinne, spider by spider, herunterzunehmen und durch die Klappe in die Kiste zu tun. Ganz sanft, „very gently“, nahm er sie, dass keiner von ihnen ein Härchen oder Bein gekrümmt werde. Denn er mochte die Spinnen sehr. Keine konnte aus der Kiste entweichen, so er sie einmal hineingetan hatte: Die Klappe schloss sich sofort wieder, wenn die Hand des jungen Mannes herauskam, und ließ keinen Spalt zur Flucht.

Auf diese Weise sammelte der junge Mann Spinne für Spinne, Saal für Saal seinen Weg durch das ganze Schloss. Vier Tage brauchte er, denn das Schloss war groß und der Spinnen waren es viele. Doch schließlich hatte er alle Spinnen herunter und in die Kiste hinein gesammelt und sah seine Arbeit beendet.

Da nahm er die Kiste, so he took the box, die nun fast doch schon zu schwer war, um sie zu heben, almost too heavy to lift it. Er trug sie zum Schloss hinaus, he carried it out of the castle, zu einem Karren, der ihm den weiteren Weg erleichtern sollte. Denn er hatte weder vor, die Spinnen zu töten, noch wollte er sie gleich außerhalb des Schlosses in die Freiheit entlassen. Zu groß wäre doch die Gefahr gewesen, dass sie eiligst in ihr altes Domizil zurückkehrten. So fuhr er die Kiste mit dem Karren weit aus der Stadt hinaus und tief in den Wald hinein. Und erst als von Stadt und Schloss schon lange nichts mehr zu sehen war, machte er Halt und öffnete den Deckel der Kiste.

Heraus kam eine wütende Spinnenschar. „Was hast du uns angetan! Wo hast du uns hingeschleppt?! Was fällt dir ein, uns zu entführen?! Wo ist unser schönes Schloss?!“ schrieen die Spinnen wild durcheinander und waren fast bereit, sich erbarmungslos auf den jungen Mann zu stürzen.

Doch er unterbrach sie kurzerhand. „Halt, halt!“, rief er. „Beruhigt euch!“ Und dann versicherte er ihnen in ruhiger, fester Stimme, er sei ein großer Freund der Spinnen, bewundere ihre Achtbeinigkeit, ihre zarten, haarigen Glieder. Er erfreue sich an ihrem Netzbau und an dem Schutz, den sie jedermann vor Mücken, Fliegen und anderem Getier angedeihen ließen. Doch habe er nicht anders können, als sie aus dem Schloss zu bringen – so sanft und bequem als irgend möglich. Denn des Königs Töchterlein und dem kleinen Prinzen, den Ministern und der Dienerschar habe es doch so unsäglich vor ihnen gegraut.

Nun weiß natürlich jeder, dass Spinnen eigentlich gar nicht sprechen können. Aber wenn sie es doch könnten, wie in diesem Märchen, dann… Ja, genau! Dann würden natürlich auch die Spinnen in diesem Land Englisch sprechen. What have you done to us?!, schimpften sie los. Where did you drag us to?! Where is our beautiful castle?!

Und der junge Mann antwortete ihnen in der Sprache, die sie verstehen konnten: Stop, stop! Calm down!And then he assured them how beautiful they were, how useful and how he himself really liked them.

Er sprach lange, er sprach sanft und schmeichelnd, sprach von der Schönheit des Waldes, the beauty of the wood, in den er sie gebracht hatte. Er sprach vom zugigen, dunklen Schloss, dem draughty, cold castlemit seinen fliegenarmen Räumen, den rooms“,die so lacking in flieswaren. Er zeigte ihnen die rosige Zukunft, ihre bright futurein lichtdurchfluteten Baumwipfeln, den light-flooded treetops. Und er verkündete ihnen fette Beute, rich preydie dort Tag für Tag, day after dayzu machen sei.

Langsam beruhigten sich die Spinnen, fanden Gefallen an dem Gedanken, im Wald zu bleiben. Und schließlich ließen sie von dem jungen Mann ab und wandten sich den Bäumen zu, eine jede darauf bedacht, sich möglichst schnell den besten Platz zum Bau eines Netzes zu sichern.

Der junge Mann aber kehrte zum Schloss zurück, das nun wieder fröhlich und belebt war wie zu seinen besten Zeiten, und sprach beim König vor. Der König, als er des Helden gewahrte, kam voller Dankbarkeit auf ihn zu, überschüttete ihn mit Gold und edlen Steinen, mit gold and precious stones, und machte ihn zum obersten seiner Minister, zum „first secretary.

Und seit diesen Tagen ist es so, dass Spinnen sich im Wald und in den Bäumen viel wohler fühlen als in zugigen Schlössern und dass der Spinnen dort, wo Menschen wohnen, niemals mehr zu viele werden.

Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute glücklich und zufrieden. Die einen im Wald, die anderen im Schloss. Und manch einer auch mal hier mal dort.

Copyright: „Jo Rehberger“ alias Jörg Rüdiger – Alle Rechte vorbehalten